Rechtssprechung

Rechtsanwendung Ausländischer Handelsvertreter ordre public

 

Bundesgerichtshof

Urt. v. 28.11.1980, Az.: I ZR 122/78

Amtlicher Leitsatz:

Fehlt es an einer Vereinbarung über die auf ein Handelsvertreterverhältnis anzuwendende Rechtsordnung, so ist in der Regel darauf abzustellen, wo das Vertragsverhältnis seinen Schwerpunkt hat. Dieser liegt am Sitz des Handelsvertreters, wenn er nur im Bereich einer einzigen Rechtsordnung tätig werden sollte und dort auch seine Niederlassung hat (Bestätigung von BGHZ 53, 332 ff).

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat

auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 1980

durch

die Richter am Bundesgerichtshof Alff, Dr. Merkel, Dr. Piper, Dr. Erdmann und Dr. Teplitzky

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. Mai 1978 aufgehoben.

2.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin, die ihren Sitz im Iran hat, verlangt von der Beklagten eine Provision für die Vermittlung von zwei Verträgen über die Lieferung von Großrohren. Die Parteien standen von 1968 bis 1973 in Geschäftsbeziehungen. Zu Beginn bestätigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Mai 1968, daß sie ihr die Vertretung („Agency“) für den Verkauf der von ihr produzierten Stahlrohre im Iran übertrage. Bis 1973 erhielt die Klägerin Provisionen in Höhe von insgesamt 696.895,03 DM, die Jeweils auf ihr Konto bei einem H. Bankhaus überwiesen wurden. Mit Schreiben vom 12. März 1973 hat die Beklagte die Rechtsbeziehungen zur Klägerin wegen „nicht befriedigender Tätigkeit“ mit sofortiger Wirkung gekündigt. Auf den Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 16. April 1973 die Kündigung ausdrücklich aufrechterhalten.

Die Klägerin macht hinsichtlich des Vertrages Nr. 103 eine Provision von 1,5% (= 156.455,45 DM) und hinsichtlich des Vertrages Nr. 112 eine Provision von 3% (= 141.700,40 DM) geltend.

Sie hat vorgetragen:

Sie habe mit der Beklagten einen Handelsvertretervertrag abgeschlossen. Dieser sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Denn die Provisionen seien in deutscher Währung auf ein Konto in der Bundesrepublik gezahlt und die Korrespondenz sei – unstreitig – teilweise in deutscher Sprache geführt worden. Die Kündigung des Handelsvertretervertrages sei erst zum Jahresende 1973 wirksam geworden. Für eine fristlose Kündigung habe kein Grund vorgelegen.

Hinsichtlich des Vertrages Nr. 103 habe ihr die Beklagte eine ausdrückliche Provisionszusage erteilt. Der Vertrag Nr. 103 sei – was unstreitig ist – zwar von der Firma R. mit der T. R. W. B. (TRWB) abgeschlossen worden, die Beklagte habe jedoch die zur Vertragserfüllung benötigten Großrohre an die Firma R. geliefert. Ihr – der Klägerin – Einsatz sei für die Beteiligung der Beklagten an dem Geschäft ursächlich gewesen. Bei einer Besprechung am 28. März 1973 in K. habe der Geschäftsführer der Beklagten zugestanden, daß die Beklagte in ihren Preisen gegenüber der Firma R. eine Provision von 1,5% zu ihren – der Klägerin – Gunsten einkalkuliert habe.

Der Vertrag Nr. 112, der zwischen der TRWB und der Beklagten abgeschlossen worden sei, sei von ihr vermittelt worden. Sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 1973 über das Projekt informiert und auch noch nach der Kündigung des Handelsvertretervertrages darauf hingewirkt, daß die Beklagte den Auftrag erhielt. Der Beklagten sei der Zuschlag im Februar 1974 erteilt worden. Für die Vermittlung stehe ihr – der Klägerin – zumindest die übliche Provision von 3% zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 298.155,85 DM nebst 4% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank von 156.455,45 DM seit dem 1. Mai 1972 sowie von weiteren 141.700,40 DM seit dem 23. März 1974 zu zahlen.

Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, daß nach dem anzuwendenden iranischen Recht ein wirksamer Handelsvertretervertrag mangels Schriftform nicht zustande gekommen sei. Zumindest habe jedoch eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit bestanden.

Die Beklagte hat hinsichtlich des Vertrages Nr. 103 bestritten, eine Provisionszusage auch für den Fall erteilt zu haben, daß nicht sie, sondern die Firma R. den Zuschlag erhalten sollte. In ihrem Schreiben vom 14. Januar 1972 habe sie lediglich auf die Provisionszahlungsbereitschaft der Firma R. bzw. der Tochterfirma I. M. hingewiesen. Nach dem Inhalt dieses Schreibens wäre zudem eine Provisionsverpflichtung allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn die Firma R. den Zuschlag auf Finanzierungs- und nicht auf Akkreditivbasis erhalten hätte.

Der Vertrag Nr. 112, der zwischen ihr und der TRWB abgeschlossen worden sei, sei nicht von der Klägerin vermittelt worden. Die Klägerin sei insoweit überhaupt nicht tätig geworden. Den Zuschlag habe sie – die Beklagte – nach Beendigung der Geschäftsbeziehung zur Klägerin am 6. März 1974 erhalten.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, nach dem hier anzuwendenden iranischen Recht sei ein wirksamer Handelsvertretervertrag mangels Schriftform nicht zustande gekommen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre Revision, mit der sie ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Frage, ob der Klägerin Provisionsansprüche aus einem Handelsvertretervertrag zustehen, nach iranischem Recht zu beurteilen sei.

1.

Das Berufungsgericht hat nicht festzustellen vermocht, daß die Parteien ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten die Anwendung des deutschen oder des iranischen Rechts vereinbart hätten. Mit Recht hat es aus der Tatsache, daß die Beklagte die Provisionen an die Klägerin in deutscher Währung und auf ein deutsches Konto gezahlt hat, keine Anhaltspunkte für die Vereinbarung der Anwendung deutschen Rechts hergeleitet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die von der Klägerin vermittelten Geschäfte der Beklagten im Iran ohnehin in deutscher Währung abgewickelt worden. Eine entsprechende Handhabung lag daher auch bei der Provisionsabwicklung nahe, ohne daß daraus besondere Schlüsse gezogen werden können. Dies gilt auch für die Überweisung auf ein deutsches Konto. Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, daß es im internationalen Geschäftsverkehr nicht ungewöhnlich sei, Konten bei einer ausländischen Bank zu unterhalten.

2.

Mangels einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht hat das Berufungsgericht zutreffend auf den sog. hypothetischen Parteiwillen abgestellt. Dieser ist unter Berücksichtigung der Interessenlage nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Bei einem Handelsvertreterverhältnis kommt es in aller Regel darauf an, wo das Vertragsverhältnis seinen Schwerpunkt hat (BGHZ 53, 332, 337; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 2185 f [OLG Düsseldorf 18.06.1974 – 23 U 170/73]). Vorliegend hat das Berufungsgericht den Schwerpunkt rechtsfehlerfrei am Sitz des Handelsvertreters gesehen, weil die Klägerin nur im Bereich einer einzigen Rechtsordnung – der des Irans – habe tätig werden sollen und dort auch ihre Niederlassung habe.

Die Revision kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, die Interessenabwägung erfordere deshalb eine Anwendung deutschen Rechts, weil das iranische Recht unzureichend und lückenhaft sei. Aus dem Gutachten des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität Köln vom 22. November 1976, auf das sich die Revision beruft, ergibt sich dies nicht. Das Recht des Handelsvertreters hat im Iran, HGB eine ausdrückliche Regelung erfahren. Soweit Einzelfragen nicht geregelt sind – wie z.B. die Kündigung – kommen subsidiär andere Gesetze zur Anwendung. Mag das iranische Handelsrecht dadurch auch komplizierter und unübersichtlicher sein, so rechtfertigt dieser Umstand allein noch nicht den Schluß, daß die Interessenlage der Beteiligten gegen die Anwendung dieser Recht Ordnung spreche.

3.

Einen Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 30 EGBGB) hat die Revision nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die „soziale Sicherstellung des Handelsvertreters“ nach iranischem Recht mit den guten Sitten oder dem Zweck eines deutschen Gesetzes nicht vereinbar sein soll.

II.

In der Sache selbst hat die Revision jedoch Erfolg.

Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Vertrages Nr. 103 den geltend gemachten Provisionsanspruch von 156.455,45 DM verneint. Dazu hat es ausgeführt: Der zwischen den Parteien bestehende Handelsvertretervertrag sei dahin auszulegen, daß der Klägerin nur für die der Beklagten vermittelten Aufträge eine Provision zustehen solle, nicht aber auch dann, wenn ein Dritter, den die Beklagte ihrerseits beliefere, den Zuschlag erhalte. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß die Beklagte ihr eine ausdrückliche Provisionszusage erteilt habe. Aus dem zwischen den Parteien geführten Schriftwechsel ergebe sich keine solche Zusage. Das Schreiben der Beklagten vom 14. Januar 1972 enthalte eine Provisionszusage nur für den Fall, daß das Akkreditivangebot der Beklagten angenommen würde. Eine weitergehende Zusage könnte allenfalls für den Fall angenommen werden, daß die Firma R. den Zuschlag auf Finanzierungs- und nicht – wie geschehen – auf Akkreditivbasis erhalten hätte. Die Behauptung der Klägerin, der Geschäftsführer der Beklagten habe bei einer späteren Besprechung zugestanden, die von der Beklagten der Firma R. angebotenen Preise enthielten 1,5% Provision für die Klägerin, könne als richtig unterstellt werden. Denn daraus könne noch nicht der Schluß auf eine Provisionszusage gezogen werden. Die Verhandlungen über eine etwaige Provision hätten ihren Niederschlag allein in dem Schriftwechsel gefunden. Aus der Korrespondenz könne eine Zusage aber gerade nicht entnommen werden.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zwar steht der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund des Handelsvertretervertrages eine Vermittlungsprovision nicht zu, weil nicht die Beklagte, sondern die Firma R. den Auftrag erhalten hat. Die Revision wendet sich indessen zu Recht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe darüber hinaus eine Provisionszusage, auf die sie ihren Anspruch zusätzlich stützt, nicht hinreichend dargetan.

Diese Feststellung liegt auf tatsächlichem Gebiet und ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Hier hat das Berufungsgericht es jedoch unter Verstoß gegen § 286 ZPO unterlassen, den Sachverhalt umfassend zu würdigen. Die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 14. Januar 1972 durch das Berufungsgericht ist unvollständig und rechtfertigt nicht den Schluß, die Beklagte habe eine Provisionszusage nur für den Fall erteilen wollen, daß ihr Angebot auf Akkreditivbasis angenommen werden würde. Einer solchen Zusage hätte es nicht bedurft, da die Beklagte in diesem Falle ohnehin aufgrund des Handelsvertretervertrages eine Vermittlungsprovision zu zahlen hätte. Hier kommt dem zweitletzten Absatz des Schreibens vom 14. Januar 1972 eine besondere Bedeutung zu. Die Beklagte weist die Klägerin darauf hin, daß sie sich weiter mit der Firma L. M. in Verbindung setzen müsse, falls das R. -Angebot mit Finanzierung den Vorzug erhalten sollte. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dieser Satz könne nur bedeuten, die Klägerin könne bei dieser Firma etwaige Provisionsansprüche geltend machen, ist nicht zwingend. Das Berufungsgericht übersieht bei seiner Auslegung den nachfolgenden Satz:

„Ihre Provision würde dann 1,5% betragen.“

Dieser Satz enthält keinen rechten Sinn, wenn man die Auslegung des Berufungsgerichts zugrundelegt. Denn die Klägerin würde einerseits darauf verwiesen, eine Provision mit der Firma I. M. auszuhandeln, andererseits würde ihr aber zugleich für diesen Fall eine Provision von 1,5% zugesagt. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin Bedeutung, der Geschäftsführer der Beklagten habe zugestanden, daß die Beklagte eine Provision für die Klägerin von 1,5% in ihre der Firma R. berechneten Preise einkalkuliert habe. Trifft dies zu, so könnte sich daraus ein zusätzliches Indiz für die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 14. Januar 1972 ergeben; zumal ein besondere Provisionszusage der Beklagten auch deshalb nicht so fern liegt, weil die Beklagte auch bei Auftragserteilung an die Firma R. wirtschaftlich an dem Geschäft beteiligt war, da sie dieser Firma die Rohre geliefert hat.

Der Senat sieht sich zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage, da weitere Feststellungen zu treffen sind. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Verhandlung ist erforderlichenfalls die Vernehmung des Zeugen H. nachzuholen und der Inhalt seiner Aussage in Verbindung mit dem Schreiben der Beklagten vom 14. Januar 1972 unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen zu würdigen.

III.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin auch hinsichtlich des Vertrages Nr. 112 eine Vermittlungsprovision von 141.700,40 DM versagt.

Die Begründung, es sei insoweit nicht zu einem Vertragsabschluß gekommen, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts, es fehle an einem Vertragsabschluß, ist aktenwidrig. Die Beklagte hat nie bestritten, den Zuschlag erhalten zu haben. Vielmehr hat sie selbst das Datum der Vertragsunterzeichnung (6. März 1974) mitgeteilt. Zwischen den Parteien war immer nur streitig, ob die Tätigkeit der Klägerin für den Vertragsabschluß ursächlich war. Der Vermerk auf dem Schreiben vom 2. März 1973, auf den sich das Berufungsgericht stützt, muß sich deshalb – wie die Revision annimmt – auf einen anderen Vorgang beziehen.

Eine abschließende Entscheidung ist dem Revisionsgericht nicht möglich, da es auch insoweit einer weiteren Sachaufklärung bedarf. Das Berufungsgericht wird zu klären haben, ob eine Vermittlungstätigkeit der Klägerin für den Vertragsabschluß vom 6. März 1974 ursächlich war.

IV.

Nach alledem führt die Revision in vollem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Dem Berufungsgericht war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen.