Freundschaftsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien
Der Deutsche Reichspräsident
und
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien,
von dem Wunsche beseelt, die Überlieferten freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten weiter zu befestigen, haben beschlossen; einen Freundschaftsvertrag abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt,
der Deutsche- Reichspräsident:
Herrn Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, Deutschen Außerordentlichen Gesandten und Bevollmächtigten Minister in Teheran,
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien:
Seine Exzellenz Herrn Mirza Mohamed Ali Khan Farzine, Gerenten seines Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten,
die nach gegenseitiger Mitteilung, ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1.
Zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien und zwischen den Angehörigen beider Staaten soll unverletzlicher Friede und aufrichtige und dauernde Freundschaft bestehen.
Artikel 2.
Die vertragschließenden Staaten kommen überein, ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen gemäß den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts fortzusetzen. Sie vereinbaren, daß die diplomatischen und konsularischen Vertreter jedes von ihnen im Gebiete des anderen Staates die Behandlung erfahren sollen, die durch die Grundsätze und die Übung des allgemeinen Völkerrechts festgelegt ist, und die – in jedem Fall und gleichfalls unter der Bedingung der Gegenseitigkeit – nicht ungünstiger sein darf als die den diplomatischen und konsularischen Vertretern der meistbegünstigten Nation gewährte Behandlung.
Artikel 3.
Die vertragschließenden Staaten kommen überein, die konsularischen sowie die Handels‐, Zoll‐ und Schiffahrtsbestimmungen zwischen ihren Ländern ebenso wie die Bedingungen der Niederlassung und des Aufenthalts ihrer Angehörigen im Gebiete des anderen Staates durch Vereinbarungen nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts und auf der Grundlage vollständiger Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit zu regeln.
Artikel 4.
Die vertragschließenden Staaten kommen überein, alle Streitigkeiten, die zwischen ihnen über die Anwendung oder Auslegung der Bestimmungen aller geschlossenen oder noch zu schließenden Verträge und Abkommen einschließlich des gegenwärtigen Vertrages entstehen sollten, und die nicht in angemessener Frist auf dem. gewöhnlichen diplomatischen Wege gütlich geregelt werden können, einem Schiedsverfahren zu unterwerfen.
Diese Bestimmung findet auch erforderlichenfalls Anwendung auf die Vorfrage, ob die Streitigkeit sich auf die Auslegung oder Anwendung der genannten Verträge und Abkommen bezieht.
Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist für die Parteien bindend.
Das Schiedsgericht wird auf Antrag eines der vertragschließenden Staaten für jeden Streitfall in folgender Weise gebildet: Jeder Staat ernennt binnen 3 Monaten nach Stellung des Antrages auf Schiedsverfahren seinen Schiedsrichter, den er auch unter den Angehörigen eines dritten Staates auswählen kann. Wenn die beiden Staaten sich nicht binnen 3 Monaten nach Stellung des Antrages auf Schiedsverfahren darüber verständigen, in welcher Frist die beiden Schiedsrichter ihre Entscheidung fällen sollen, oder wenn es den beiden Schiedsrichtern nicht gelingt, den Streitfall in der ihnen gestellten Frist zu regeln, wählen die beiden Staaten einen Angehörigen eines dritten Staates als dritten Schiedsrichter. Einigen sich die Staaten über die Wahl des dritten Schiedsrichters nicht binnen 2 Monaten nach Stellung des Antrages auf Benennung des dritten Schiedsrichters, so werden sie gemeinsam, oder, falls dieser gemeinsame Antrag nicht binnen einer weiteren Frist von 2 Monaten gestellt wird, so kann jeder von ihnen allein den Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes im Haag ersuchen, den dritten Schiedsrichter aus den Angehörigen dritter Länder zu ernennen. Auf Grund einer Verständigung der beiden Teile, kann ihm eine Liste der dritten Staaten überreicht werden, auf die sich seine Wahl beschränken muß. Sie behalten sich vor, sich im voraus für eine bestimmte Zeit über die Person des dritten Schiedsrichters zu verständigen.
Wenn das Verfahren, das die beiden Schiedsrichter zu beobachten haben, nicht spätestens bei deren Ernennung in einer von den beiden Staaten vereinbarten besonderen Schiedsordnung geregelt ist, erfolgt seine Regelung durch die Schiedsrichter selbst.
Falls man zur Ernennung eines dritten Schiedsrichters hat schreiten müssen und nicht spätestens bei seiner Ernennung eine von den beiden Staaten festgesetzte Schiedsordnung das nach seiner Ernennung zu beobachtende Verfahren festgelegt hat, so treten der dritte Schiedsrichter und die beiden ersten Schiedsrichter zusammen, und das so gebildete Schiedsgericht entscheidet über sein Verfahren und über den sachlichen Streit. Alle Entscheidungen des Schiedsgerichts ergehen auf Grund Mehrheitsbeschlusses.
Artikel 5.
Dieser Vertrag ist in doppelter Urschrift in deutscher, persischer und französischer Sprache abgefaßt. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Vertrages ist der französische Wortlaut maßgebend.
Der Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen gehörig beglaubigten Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigesetzt.
Teheran, den 17. Februar. 1929.
(gez.) Friedrich Werner Graf von der Schulenburg.
(gez.) M. Farzine.
Schlußprotokoll.
Bei der Unterzeichnung des heute zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien abgeschlossenen Freundschaftsvertrages haben die unterzeichneten Bevollmächtigten folgende Erklärung abgegeben, die einen wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet:
Die beiden vertragsschließenden Staaten behalten sich das Recht vor, die Bestimmungen des Artikels 4 des Freundschaftsvertrages nach einem Zeitraum von 10 Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages neu zu prüfen.
Teheran, den 17. Februar 1929.
(gez.) Friedrich Werner Graf von der Schulenburg.
(gez.) M. Farzine.