Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen
Der Deutsche Reichspräsident
und
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien,
von dem Wunsche beseelt, entsprechend dem Freundschaftsvertrag vom heutigen Tage das Niederlassungsrecht der deutschen Staatsangehörigen in Persien und der persischen Staatsangehörigen in Deutschland zu regeln, haben beschlossen, ein Niederlassungsabkommen abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt,
Der Deutsche Reichspräsident:
Herrn Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, Deutschen Außerordentlichen Gesandten und Bevollmächtigten Minister in Teheran,
Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien:
Seine Exzellenz Herrn Mirza Mohamed Ali Khan Farzine, Regenten seines Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten,
die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1
Die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates werden in dem Gebiete des anderen Staates hinsichtlich ihrer Person und ihrer Güter nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts aufgenommen und behandelt. Sie genießen dort den ständigen Schutz der Landesgesetze und -behörden für ihre Person und für ihre Güter, Rechte und Interessen. Sie können unter der Bedingung, daß, und solange als sie die auf diesem Gebiet geltenden Gesetze und Verordnungen beobachten, das Gebiet des anderen vertragschließenden Staates betreten und verlassen, dort reisen, sich dort aufhalten und niederlassen.
In allen diesen Angelegenheiten genießen sie eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die den Angehörigen des meistbegünstigten Staates gewährte Behandlung.
Die vorstehenden Vorschriften hindern jedoch keinen der vertragschließenden Staaten, jederzeit Bestimmungen zu treffen, um die Einwanderung in sein Gebiet zu regeln oder zu verbieten, sofern diese Bestimmungen nicht eine Maßnahme unterschiedlicher Behandlung darstellen, die besonders gegen alle Angehörigen des anderen vertragschließenden Staates gerichtet ist.
Artikel 2
Die Bestimmungen dieses Vertrages beeinträchtigen nicht das Recht jedes der vertragschließenden Staaten, Angehörigen des anderen Staates im einzelnen Falle infolge gerichtlicher Verfügung oder aus Gründen der inneren oder äußeren Sicherheit des Staates oder auch aus Gründen der Armen, Gesundheits- und Sittenpolizei den Aufenthalt zu versagen.
Die Ausweisung wird unter Bedingungen, die den Anforderungen der Hygiene und Menschlichkeit entsprechen, durchgeführt werden.
Artikel 3
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates haben im Gebiet des anderen Staates, sofern sie die Landesgesetze und -verordnungen beobachten, das Recht, in gleicher Weise wie die Inländer jede Art von Gewerbe und Handel zu betreiben und jedes Handwerk und jeden Beruf auszuüben, soweit es sich nicht um ein Staatsmonopol oder um die Ausbeutung eines vom Staate verliehenen Monopols handelt.
Diese Vorschrift findet auch insoweit keine Anwendung, als die Eigenschaft als Inländer nach den genannten Gesetzen und Verordnungen eine unerläßliche Bedingung für die Ausübung eines Berufs bildet.
Artikel 4
Aktiengesellschaften und Handelsgesellschaften jeder Art einschließlich der Industrie-, Finanz-, Versicherungs-, Verkehrs- und Transportgesellschaften, die im Gebiet des einen vertragschließenden Staates ihren Sitz haben und gemäß den Gesetzen des Landes ihres Sitzes errichtet und anerkannt sind, werden auch in dem Gebiet des anderen Staates in ihrer Rechts-, Geschäfts- und Prozeßfähigkeit anerkannt.
Ihre Zulassung zur Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit im Gebiet des anderen Staates bestimmt sich nach den dort geltenden Gesetzen und Vorschriften.
Hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Zulassung, der Ausübung ihrer Tätigkeit und in jeder anderen Beziehung können die genannten Gesellschaften unter der Bedingung, daß sie die Gesetze und Vorschriften des Niederlassungsstaates beobachten, sich dort jeder Handels- und Gewerbetätigkeit widmen, der sich gemäß Artikel 3 die Angehörigen des Landes, wo sie errichtet worden sind, widmen können. Die genannten Gesellschaften müssen in jeder Beziehung wie die gleichartigen Unternehmungen der meistbegünstigten Nation behandelt werden.
Artikel 5
Die Angehörigen und die in Artikel 4 aufgeführten Gesellschaften des einen vertragschließenden Staates genießen im Gebiet des anderen Staates sowohl für ihre Person wie für ihre Güter, Rechte und Interessen in bezug auf Steuern, Gebühren und Abgaben jeder Art sowie alle anderen Lasten fiskalischen Charakters in jeder Beziehung bei den Finanzbehörden und Finanzgerichten die gleiche Behandlung und den gleichen Schutz wie die Inländer.
Artikel 6
Die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten haben im Gebiet des anderen Staates, wenn sie die dort geltenden Gesetze und Verordnungen beobachten, das Recht, dort jede Art von Rechten und von beweglichem Vermögen zu erwerben, zu besitzen und zu veräußern. Sie werden in dieser Hinsicht wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation behandelt.
Hinsichtlich der Grundstücke und der Rechte an Grundstücken werden die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates in jedem Falle wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation behandelt. Bis zum Abschluß eines besonderen Abkommens besteht Einverständnis, daß die deutschen Staatsangehörigen in Persien nur berechtigt sind, Grundstücke, die sie als Wohnung und zur Ausübung ihres Berufes oder Gewerbes benötigen, zu erwerben, innezuhaben oder zu besitzen.
Artikel 7
Die Wohnungen und alle Grundstücke, die von Angehörigen eines vertragschließenden Staates im Gebiet des anderen Staates in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses Abkommens erworben, besessen und gemietet werden, können Haussuchungen oder Durchsuchungen nur unter den gleichen Bedingungen und Förmlichkeiten unterworfen werden, die durch die für Inländer geltenden Gesetze vorgeschrieben sind.
Ebenso dürfen Geschäftsbücher, Abrechnungen oder Urkunden irgendwelcher Art, die sich in den Wohnungen oder Geschäftsräumen der Angehörigen des einen vertragschließenden Staates im Gebiet des anderen Staates befinden, nur unter den Bedingungen und Förmlichkeiten einer Prüfung oder Beschlagnahme unterzogen werden, die durch die geltenden Gesetze für die Inländer vorgeschrieben sind.
Artikel 8
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates genießen im Gebiet des anderen Staates in allem, was den gerichtlichen und behördlichen Schutz ihrer Person und ihrer Güter angeht, die gleiche Behandlung wie die Inländer.
Sie haben insbesondere freien und völlig ungehinderten Zutritt zu den Gerichten und können vor Gericht unter den gleichen Bedingungen wie die Inländer auftreten. Jedoch werden bis zum Abschluß eines besonderen Abkommens die Voraussetzungen für das Armenrecht und die Sicherheitsleistung für Prozeßkosten durch die örtliche Gesetzgebung geregelt.
In bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann von dem anderen vertragschließenden Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluß allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staat erfolgt.
Artikel 9
Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates sind in Friedens- und Kriegszeit im Gebiet des anderen Staates außer im Falle der Abwehr einer Naturkatastrophe von jeder staatlichen Arbeitspflicht befreit. Sie sind von jedem militärischen Zwangsdienst, sei es in der Armee, Marine und Luftwehr, sei es in der Nationalgarde oder Miliz, und ebenso von jeder an Stelle des persönlichen Dienstes auferlegten Abgabe befreit. Die Angehörigen jedes vertragschließenden Staates sind auf dem Gebiet des anderen Staates von allen Zwangsanleihen befreit. Sie können militärischen und nichtmilitärischen Requisitionen gleichviel welcher Art oder Enteignungen zum öffentlichen Nutzen nur unter den gleichen Bedingungen und im gleichen Maße wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation unterworfen werden.
Bei den in Abs. 1 dieses Artikels behandelten Requisitionen sowie bei Enteignungen zum öffentlichen Nutzen erhalten die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates im Gebiet des anderen Staates für die angeforderten oder enteigneten Vermögenswerte eine angemessene Entschädigung, wobei die gesetzlichen Vorschriften des letzteren über die Modalitäten solcher Entschädigungen Beachtung finden.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch auf die in Artikel 4 erwähnten Gesellschaften Anwendung.
Artikel 10
Dieses Abkommen ist in doppelter Urschrift in deutscher, persischer und französischer Sprache abgefaßt. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Abkommens ist der französische Wortlaut maßgebend. Das Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich ausgetauscht werden.
Das Abkommen tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt fünf Jahre in Geltung. Wird es nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt es als stillschweigend für unbestimmte Zeit verlängert. Es kann dann jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen gehörig beglaubigten Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigesetzt.
Teheran, den 17. Februar 1929.
(gez.) Friedrich Werner Graf von der Schulenburg
(gez.) M. Farzine
Schlußprotokoll.
Bei der Unterzeichnung des heute zwischen dem Deutschen Reich
und dem Kaiserreich Persien abgeschlossenen Niederlassungsabkommens
haben die unterzeichneten Bevollmächtigten folgende Erklärung abgegeben, die einen wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet:
I.
Zu Artikel 1.
Es herrscht Einverständnis darüber, daß Artikel 1 die paßrechtlichen Vorschriften sowie die allgemeinen Vorschriften unberührt läßt, die von den vertragschließenden Staaten über die Voraussetzungen erlassen sind oder künftig erlassen werden, unter denen die ausländischen Arbeiter zur Berufsausübung auf ihrem Gebiet zugelassen werden können.
Zu Artikel 4.
Es herrscht Einverständnis darüber, daß weder die Bestimmungen des Artikels 4 noch irgendeine andere Bestimmung des Niederlassungsabkommens die Befugnis geben können, die besonderen Vorrechte zu beanspruchen, die Persien gewissen fremden Gesellschaften gewährt, für die die Bedingungen ihrer Tätigkeit durch besondere Konzessionen geregelt sind.
Zu Artikel 8 Abs. 3.
Die vertragschließenden Staaten sind sich darüber einig, daß das Personen-, Familien- und Erbrecht, das heißt, das Personalstatut, die folgenden Angelegenheiten umfaßt: Ehe, eheliches Güterrecht, Scheidung, Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, Mitgift, Vaterschaft, Abstammung, Annahme an Kindesstatt, Geschäftsfähigkeit, Volljährigkeit, Vormundschaft und Pflegschaft, Entmündigung, testamentarische und gesetzliche Erbfolge, Nachlaßabwicklungen und Erbauseinandersetzungen, ferner alle anderen Angelegenheiten des Familienrechts unter Einschluß aller den Personenstand betreffenden Fragen.
II.
Die Regierungen der beiden vertragschließenden Staaten verpflichten sich, keinen Angehörigen des anderen Staates ohne vorherige Zustimmung seiner Regierung einzubürgern.
Teheran, den 17. Februar 1929.
(gez.) Friedrich Werner Graf von der Schulenburg.
(gez.) M. Farzine.