Rechtspraxis

Vorweggenommene Erbfolge durch Schenkung

Sachverhalt:

Aus dem überlassenen Vertragsentwurf geht hervor, dass Ihr Vater in der Absicht, seinen weiteren Abkömmling von der Erbschaft auszuschließen, seine in Deutschland belegenen Grundstücke durch Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auf Sie übertragen möchte. Sie möchten wissen, ob der entworfene Schenkungsvertrag nach iranischem Recht wirksam ist.

Amtwort:

In der Sache wäre im Erbfall das materielle Erbrecht Irans gemäß Art. 75 EuErbVO in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens Deutschland-Iran anwendbar. Nach iranischem Recht ist es grundsätzlich möglich, durch Schenkungen zu Lebzeiten Erben von ihrem späteren Erbteil auszuschließen. Dies wird mit Art. 30 des iranischen Zivilgesetzbuchs begründet, wonach der Eigentümer einer Sache nach Belieben darüber verfügen kann. Es wird jedoch als verwerflich angesehen, wenn ein Erblasser ohne berechtigten Grund hiervon Gebrauch macht, um die gesetzlichen Erben ihres Pflichtteilsanspruchs zu entziehen.

Da sich die betroffenen Grundstücke in Deutschland befinden, ist im Erbfall das deutsche Nachlassgericht für etwaige diesbezügliche Erbstreitigkeiten zuständig. Das deutsche Nachlassgericht hat auf den Erbfall grundsätzlich das materielle iranische Erbrecht anzuwenden. Nach Art. 6 EGBGB ist jedoch eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Eine richterliche Entscheidung zu einem Verstoß gegen den deutschen ordre public im Zusammenhang mit Schenkungen ist dem Unterzeichner nicht bekannt. Das deutsche Nachlassgericht kann jedoch eine nach iranischem Recht zulässige Enterbung durch Schenkung zu Lebzeiten als Verstoß gegen den deutschen ordre public werten und deshalb einen Pflichtteilsanspruch des gesetzlichen Erben anerkennen.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass die entworfene Schenkung nach iranischem Recht wirksam ist und im inneriranischen Rechtskreis keinen Pflichtteilsanspruch auslöst. Das deutsche Nachlassgericht kann dies jedoch als Verstoß gegen den ordre public werten und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch anerkennen. Nach Ansicht des Unterzeichners rechtfertigt jedenfalls die rechtliche Würdigung des vorgebrachten Fehlverhaltens des Abkömmlings eine Enterbung nicht.